Der Igel und seine Stacheln

Es war ein schöner Morgen
am Ende vom letzten Winter, als die Tiere des Waldes beschlossen, ein Fest zu feiern. Es waren gerade alle wieder aus ihrem Winterschlaf erwacht und mit dem Fest wollten sie den Frühling begrüßen.
Also versammelten sie sich auf der Lichtung, um die Planung zu besprechen. Die Eule stand in der Mitte und blickte alle an.
„Sind alle da?“, fragte sie. Als alle nickten, fuhr sie fort.
„Wir haben uns hier versammelt, um die Planung für unser Frühlingsfest zu besprechen. Als Erstes schlage ich vor, dass wir morgen Nachmittag hier auf der Lichtung feiern.“
Damit waren alle Tiere einverstanden. Die Eule sah die Biberfamilie an.
„Könnt ihr Tische, Stühle und Bänke bauen?“
Die Biberfamilie nickte.
„Ja, wir können dafür die umgefallene Eiche nehmen.“
Damit war die Eule einverstanden, denn es war eine gute Idee. Es sollte schließlich kein Baum für die Bänke gefällt werden. Sie wandte sich den Glühwürmchen zu.
„Sorgt ihr abends für das Licht?“
„Ja, gerne!“, riefen die Glühwürmchen freudig. Jetzt schaute die Eule zu dem Bären.
„Und du, Bär, könntest uns ein paar Fische fangen.“
Der Bär brummte zustimmend.
„Der Fluss am Fuß des Hügels ist momentan voll mit Forellen.“
„Sehr gut“, sagte die Eule. Sie sah die Maus und das Eichhörnchen an.
„Wärt ihr zwei so nett und besorgt uns Nüsse und Eicheln?“
Die Maus nickte und sah das Eichhörnchen an.
„Du suchst in den Bäumen und ich am Boden?“
Damit war das Eichhörnchen einverstanden.
„Und wenn ich Möhren mitbringe?“, fragte das Kaninchen. Die anderen Tiere stimmten zu.
„Ich kann leckere Kirschen und Beeren mitbringen“, meldete sich der Rabe. Die Eule war jetzt zufrieden.
„Sehr gut. Ich kümmere mich um die Dekoration.“

Der Igel saß auch dabei.
Da er erst letzte Woche in den Wald gezogen war, kannte er die Anderen noch nicht so gut. Deswegen wusste er auch nicht, was die anderen Tiere gerne aßen. Er überlegte sehr lange und plötzlich hatte er eine Idee.
„Ich bringe Äpfel mit!“, rief er.
„Vor meiner Höhle steht doch ein großer Apfelbaum! Da fallen viele Äpfel runter!“
Dann wurde es ganz still auf der Lichtung. Einige Tiere schauten zu Boden.
„Was ist los?“, fragte der Igel verwundert. Der Hirsch scharrte mit den Hufen.
„Weißt du, Igel“, sagte er. Der Igel sah ihn an.
„Ja?“, fragte er zurück, doch der Hirsch schwieg. Der Igel sah ihn weiter fragend an.
„Hirsch?“
Doch der Hirsch schwieg weiter. Das kleine Reh neben ihm sah den Igel an.
„Wir wissen nicht, ob es eine gute Idee ist, wenn du kommst“, sagte es. Der Igel verstand immer weniger. Das Reh seufzte.
„Weißt du…“
Hilfesuchend schaute es in die Runde. Der Waschbär rieb nervös seine Pfoten. Der Wolf knurrte:
„Du mit deinen Stacheln machst doch immer alles kaputt! Und du wirst jeden verletzen mit deinem Gepiekse!“
Das tat dem Igel sehr weh. Er spürte, wie Tränen in seine Augen stiegen und sein Hals enger wurde.
„Aber…“
Doch der Wolf schnitt ihm das Wort ab.
„Du bist eine Gefahr für uns! Du hättest nie in den Wald ziehen dürfen!“
Jetzt liefen ihm die Tränen über das Gesicht.
„Aber ich kann doch nichts dafür, dass ich so viele Stacheln habe!“
„Das ist mir egal!“
Der Wolf brüllte schon fast.
„Hau einfach aus dem Wald ab und gib uns unseren Frieden wieder!“
Der Igel stand auf und rannte zu seiner Höhle, so schnell er rennen konnte. In seiner Höhle warf er sich auf sein Bett aus Blättern und weinte.
„Ich hätte niemals hierhin ziehen sollen!“, schluchzte er. Nach einer Weile klopfte es an der Tür.
„Igel?“
Der Igel erkannte die Stimme der Maus.
„Geh weg!“, weinte er, „Du willst mich doch auch loswerden!“
„Nein, das möchte ich nicht. Darf ich reinkommen?“
„Meinetwegen“, schniefte der Igel, „aber ich könnte dich pieksen.“
Die Maus kam in die Höhle und sah sich um.
„Schön hast du es hier“
Der Igel setzte sich auf und wischte sich über die Augen.
„Danke…“
Die Maus setzte sich mit etwas Abstand zum Igel auf das Bett. Der Igel schaute verwundert.
„Ich könnte dich pieksen…“
„Wenn wir Abstand halten, wird das nicht passieren“, sagte die Maus. Der Igel schniefte wieder.
„Abstand halten… Abstand halte ich schon mein Leben lang…“
Dann erzählte er der Maus, dass er in diesen Wald gezogen war, weil im anderen Wald auch alle Abstand zu ihm gehalten hatten. Als er mit seiner Geschichte fertig war, schwieg die Maus. Sie überlegte und hatte plötzlich eine Idee.
„Warte hier, ich bin gleich wieder da!“
Sie sprang auf und rannte davon. Der Igel sah ihr nach und seufzte.
„Sie sagt bestimmt nur, dass sie gleich wieder da ist.“
Traurig legte er sich ins Bett. Irgendwann schlief er ein.
Er wurde von einem Klopfen geweckt. Der Sonnenaufgang zeigte ihm, dass er den restlichen Tag und die ganze Nacht geschlafen hatte.
Es klopfte nochmal und der Igel ging zur Tür. Dort standen die Maus und das Eichhörnchen. Der Igel sah beide an.
„Was wollt ihr?“, fragte er. Die Maus lächelte.
„Wir haben etwas gebastelt.“
Sie überreichte ihm ein Ding aus Holz, was wie eine sehr große Suppenschüssel aussah. Der Igel verstand nicht.
„Was ist das?“
Das Eichhörnchen sagte:
„Weißt du noch, als der Radfahrer drüben auf dem Waldweg die Kokosnuss verloren hatte?“
„Ja, daran erinnere ich mich“, sagte der Igel etwas verdutzt.
„Wir, also Maus, ich und die Biberfamilie haben dir daraus einen Schutz gebastelt.“
Die Maus nickte eifrig. Der Igel schaute sich dieses komische Ding an. Aber als die Maus es auf seine Stacheln setzte, verstand er.
„Ein Schutz vor meinen Stacheln!“, rief er laut. Maus und Eichhörnchen nickten.
Mit der halben Kokosnuss auf seinem Rücken sah der Igel zwar etwas seltsam aus, aber niemand musste mehr Angst vor seinen spitzen Stacheln haben.
„So kann der Wolf dir nicht mehr sagen, dass du alle verletzen würdest.“
Der Igel war sehr erfreut. Er sah auf die Uhr in der Küche.
„Bleibt noch genug Zeit, einen Apfelkuchen zu machen. Helft ihr mir dabei?“
Maus und Eichhörnchen nickten.
„Gerne!“

Gemeinsam gingen sie in die Küche
und backten einen tollen Apfelkuchen mit vielen Äpfeln. Der Kuchen duftete wunderbar. Dann hatte der Igel eine Idee und schnell lief er neue Äpfel und auch Birnen holen. Aus den neuen Äpfeln und den Birnen machte er einen leckeren Obstsalat. Die Maus war zufrieden.
„Das sieht ja toll aus!“
Als es dann Nachmittag war, gingen sie zum Fest. Die anderen Tiere bestaunten den neuen Schutz des Igels. Nur der Wolf knurrte.
„Was soll das denn? Das ist ja lächerlich!“
Doch die anderen Tiere verteidigten den Igel sofort.
„Also ich finde es toll!“, rief das Rentier. Der Rabe flog sogar mutig auf den Schutz.
„Jetzt piekst wirklich gar nichts mehr!“, rief er. Die Biber sahen den Wolf wütend an.
„Verschwinde! Das Fest ist nicht für Leute, die Andere ärgern! Du lebst erst einen Monat hier, wir können auf dich verzichten! Der Igel ist wenigstens freundlich!“
Doch der Igel hob die Hand.
„Ist schon gut“, sagte er, „Maus und Eichhörnchen haben mir heute etwas erzählt.“
Dann erzählte er den anderen Tieren, dass der Wolf in seinem früheren Zuhause von anderen Tieren ausgegrenzt wurde. Die anderen Tiere waren überrascht.
„Warum?“, fragten sie den Wolf. Dieser seufzte.
„Meine Zähne sind zu spitz, meine Klauen zu gefährlich…“
Er sah den Igel an.
„Es tut mir leid… Ich habe mit dir das gemacht, was früher mit mitgemacht wurde. Aber die Anderen haben recht…“
Er wollte gehen, doch der Igel hielt ihn auf.
„Du musst nicht gehen. Ich nehme deine Entschuldigung an.“
Der Wolf war überrascht.
„Wirklich?“, fragte er. Der Igel nickte.
„Ja, wirklich. Vielleicht können wir ja Freunde werden?“
Jetzt zeigte der Wolf ein freundliches Lächeln.
„Das wäre schön.“
Der Igel lächelte und schnitt den Kuchen an. Das erste Stück bekam der Wolf, der es mit großem Appetit aß.
„Lecker, das Rezept brauche ich!“
Am Abend saßen Igel und Wolf gemeinsam auf dem Hügel, schauten den Glühwürmchen und den Sternen zu und unterhielten sich noch sehr lange.

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